Was ist eigentlich Ergotherapie?
In der Ergotherapie wird mit verschiedenen
Methoden und Therapiematerialien und durch den gezielten Einsatz ausgewählter
Aktivitäten so viel Selbständigkeit und Eigenaktivität wie möglich mit
dem Patienten erarbeitet.
Ziel dieser Maßnahmen ist die
Wiederherstellung, Entwicklung, Verbesserung, Erhaltung oder Kompensation
der krankheitsbedingt gestörten motorischen, sensorischen, psychischen
und kognitiven Funktionen und Fähigkeiten, die zur Krankheits- und
Alltagsbewältigung und zur Wiedereingliederung in Familie, Beruf und
Gesellschaft notwendig sind. Ihre handlungsorientierten Ansätze zielen
auf die Wiedergewinnung größtmöglicher Selbständigkeit und
Eigenverantwortung.
Ergotherapie gehört - wie z.B. auch die
Physiotherapie - zu den medizinischen Heilberufen. Sie "...ist eine
wichtige Heilmaßnahme zur Rehabilitation Kranker und Behinderter. Unter
ärztlicher Aufsicht soll sie dazu dienen, die Wiederherstellung und den
bestmöglichen Gebrauch aller Funktionen von Körper und Geist zu fördern
mit dem Ziel, kranken und behinderten Menschen so zu helfen, dass diese
ihre beruflichen, sozialen und häuslichen Bedürfnisse erfüllen und so
am Leben im umfassenden Sinne wieder teilhaben können". (nach
Dohm/Raps "Ergotherapie - Ausbildungs- und Prüfungsordnung")
Schon im Altertum wusste man um die
Auswirkungen von Passivität als Folge von Krankheit. Vom griechischen
Arzt Galen aus Pergamon stammt der Satz: "Sinnvolles Tun ist der
beste Arzt, den uns die Natur gegeben hat". Man erkannte die positive
Wechselwirkung von medizinischer Intervention bei gleichzeitiger
Aktivierung, um Rückschritten, einer Depression oder einem völligen
Entwicklungsstillstand entgegenzuwirken. "ERGO", von dem
griechischen "to ergon" abgeleitet hat eine vielfältige
Bedeutung: Werk; Tat; Handeln; Arbeit; etwas leisten; sich betätigen;
sich anregen lassen; kreativ und schöpferisch tätig sein; zurechtkommen
im Alltag - also körperlich, seelisch und geistig aktiv sein.
Auf Basis der Kenntnis von Behinderungs- und
Krankheitsbildern, der normalen Entwicklung, den Risiken von Folgeschäden
etc. wird unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des einzelnen Patienten
und nach einer differenzierten ergotherapeutischen Befunderhebung
entschieden, welche therapeutischen Maßnahmen angezeigt sind. Die
individuellen Ziele werden dabei gemeinsam mit dem Patienten und/oder
dessen Angehörigen erarbeitet, ein Behandlungsplan erstellt und die
entsprechenden Methoden und Medien ausgewählt.
Können Beeinträchtigungen - aufgrund der
Schwere einer vorliegenden Schädigung - nicht beseitigt werden,
entwickeln ErgotherapeutInnen auf Basis ihrer profunden Kenntnisse in
diesem Bereich auch Wege und Hilfsmittel, um diese zu kompensieren. Somit
gehört es zur Aufgabe der Ergotherapie das Ausmaß einer resultierenden
Behinderung aus bestehenden Beeinträchtigungen so gering wie möglich zu
halten.
Elementare Voraussetzung für erfolgreiche
Ergotherapie ist, dass der Patient und auch dessen Umfeld ernsthaftes
Interesse an der Ausweitung bzw. dem Erhalt größtmöglicher Selbständigkeit
und Eigenaktivität hat.
Einige der Behandlungsschwerpunkte in der
Ergotherapie sind:
1. Motorisch funktionelle Therapie:
Eine z.B. nach dem Bobath-Konzept aufgebaute
motorisch-funktionelle Behandlung zielt auf die Bahnung der
physiologischen Bewegungs- und Handlungsabläufe unter Hemmung von
krankheits- oder behinderungsbedingten Haltungs- und Bewegungsstörungen
ab.
An adaptierten Arbeitsplätzen findet eine Förderung der Feinmotorik und
Koordination wie auch ein Schreibtraining statt.
2. Sensibilitätstraining:
Infolge verschiedener Erkrankungen
auftretende Sensibilitätsstörungen werden unter Einsatz
unterschiedlicher Therapiematerialien behandelt. So besteht die Möglichkeit
Oberflächensensibilität, Tiefensensibilität, das Temperaturempfinden
oder die gefühlvolle Dosierung von Kraft gezielt (z.B. nach Perfetti) zu
trainieren.
3. Neuropsychologischer Bereich:
In der Ergotherapie wird eine orientierende
Diagnostik und Therapie der Störungen von Aufmerksamkeit, Orientierung,
Gedächtnis, Planungen und Problemlösen durchgeführt. Die Stärke der
Ergotherapie gegenüber der -ohnehin noch seltenen- Neuropsychologie
besteht darin, dass eine Diagnostik auch in realen lebenspraktischen
Situationen stattfinden kann und auch die Therapiefortschritte wiederum
direkt im Alltagstraining einfließen.
4. Wahrnehmungstraining:
Das "Führen" von Bewegungen und
Handlungen (Affolter-Konzept) vermittelt auch schwer wahrnehmungsgestörten
Patienten die mit Handeln verbundenen Informationen und sensiblen Reize.
Dies bewirkt eine Normalisierung der Reizverarbeitung und der
Tonusregulation. Ein Patient mit Wahrnehmungsstörungen wird somit auf die
selbständige Bewältigung von Alltagssituationen vorbereitet.
5. Selbsthilfe und praktische Lebensführung:
Im Rahmen des Selbsthilfetrainings werden die
Körperpflege, das An- und Auskleiden, Essen und dessen Zubereitung,
Haushaltsorganisation mit Einkauf, Planung und Zeiteinteilung, Behördengänge
etc. geübt.
So wird beispielsweise die morgendliche Körperpflege,
das Anziehen und die Zubereitung des Frühstücks im Beisein des
Therapeuten eingeübt, um ein Höchstmaß an Selbständigkeit zu
erreichen. Die aktive und selbständige Rollstuhlnutzung wird ebenfalls im
Selbsthilfetraining eingeübt.
6. Handwerkliche Techniken:
Handwerkliche Aktivitäten, wie Tonarbeiten,
Holzarbeit, Seidenmalerei, Weben, bildnerisches Gestalten, Kerzenziehen,
Peddigrohrflechten o.ä. trainieren die Fein- und Grobmotorik. Der Umgang
mit dem -unter therapeutischen Gesichtspunkten ausgesuchten- Material
bietet intensive sensible Reize und verbessert somit deren Verarbeitung.
Darüber hinaus fördert kreatives Gestalten verbunden mit den Möglichkeiten
und Grenzen des jeweiligen Materials die Eigeninitiative, die ausgewogene
Nutzung beider Hirnhälften und stärkt das Selbstwertgefühl des
Patienten
7. Schienenherstellung:
Bei Erkrankungen im Gebiet der Rheumatologie,
Handchirurgie und bei peripheren Nervenläsionen werden individuelle
Behandlungsschienen hergestellt und angepasst.
8. Hausbesuche:
Um das Leben zu Hause vorzubereiten, findet
idealerweise vor Krankenhauserntlassung ein Hausbesuch durch den
behandelnden Ergotherapeuten aus der Klinik statt. Zusammen mit
Hilfsmittelversorgern analysiert er die räumlichen Gegebenheiten und
erstellen gemeinsam mit dem Patienten und Angehörigen einen Plan für die
Hilfsmittelbeschaffung und oder für bauliche Änderungen.
In der ambulanten Behandlung ist es häufig günstig Behandlungen per
Hausbesuch durchzuführen, da die lebenspraktischen Probleme ja im häuslichen
Umfeld auftauchen und hier Strategien zur Problembehebung entwickelt
werden müssen.
9. Hilfsmittelberatung, -anfertigung,
-versorgung:
Eine optimale Hilfsmittelversorgung auf Basis
der qualifizierten Beratung des ambulant tätigen Ergotherapeuten kann das
tägliche Leben der Patienten und ihres Umfeldes deutlich erleichtern. Da
Ergotherapeuten sowohl ein profundes Wissen über die gängigen
Hilfsmittel haben, als auch über die Probleme und Bedürfnisse des
Patienten Bescheid wissen, sind sie optimale Berater bzgl. der Auswahl
geeigneter Hilfsmittel. Da sie über handwerkliche Fähigkeiten und über
das notwendige Material verfügen, besteht immer die Möglichkeit kleinere
Hilfsmittel individuell angepasst selber herzustellen. (Quelle: Deutscher
Verband der Ergotherapeuten) |